Aussetzungsmaßstab Gebrauchsmuster

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Die Entscheidung befasst sich mit der Frage, welcher Maßstab für die Aussetzung eines Gebrauchsmusterverletzungsverfahrens gilt.

Zum Urteil

OLG Düsseldorf, I-W 30-18, Beschluss vom 11.06.2018 (unveröff.)

Relevante Rechtsnormen

§ 19 S. 1 GebrMG, §§ 252, 567 ZPO

Sachverhalt

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung eines Gebrauchsmusters in Anspruch. Das Landgericht hat nach mündlicher Verhandlung das Verletzungsverfahren im Hinblick auf das anhängige Löschungsverfahren gem. § 19 S. 1 GebrMG ausgesetzt, weil es Zweifel an der Schutzfähigkeit des Gebrauchsmusters hat.

Bisherige Rechtssprechung

Da es sich bei einem auf § 19 Satz 1 GebrMG gestützten Aussetzungsbeschluss um eine Ermessensentscheidung handelt, ist die Prüfungskompetenz des Beschwerdegerichts eingeschränkt. Es ist lediglich zu prüfen, ob das Landgericht sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat (OLG Düsseldorf Beschl. v. 07.09.2017, 2 W 39/17; OLG Düsseldorf Beschl. v. 21.03.2016, 15 W 2/16, BeckRS 2016, 17163; OLG Karlsruhe GRUR 2014, 352 – Stanzwerkzeug).

Die Überprüfung beschränkt sich darauf, ob das Landgericht überhaupt von seinem Ermessen Gebrauch gemacht, seiner Entscheidung alle relevanten Tatsachen zugrunde gelegt, die für eine Aussetzungsentscheidung maßgeblichen Leitlinien angewandt, sich nicht durch sachfremde Erwägungen hat leiten lassen und/oder ob es den Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten hat. Dem Beschwerdegericht ist es demgegenüber verwehrt, seine eigene Ermessensentscheidung an die Stelle derjenigen des Landgerichts zu setzen(OLG Düsseldorf Beschl. v. 07.09.2017, 2 W 39/17; OLG Düsseldorf Beschluss v. 21.03.2016, 15 W 3/16, BeckRS 2016, 17163; OLG Karlsruhe GRUR 2014, 352 – Stanzwerkzeug; KG Beschl. v. 17.12.2012, 23 W 55/12, BeckRS 2013, 00928; BeckOK PatR/Voß PatG § 139 Rn. 192; Benkard PatG/Grabinski/Zülch PatG § 139 Rn. 108; Cepl, in: Cepl/Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2. Aufl., § 148 Rn. 20).

Grundsätzlich kommt eine Aussetzung eines Gebrauchsmusterverletzungsverfahrens schon dann in Betracht, wenn das Verletzungsgericht (bloße) Zweifel an der Schutzfähigkeit des Gebrauchsmusters hat (OLG Düsseldorf Beschl. v. 21.03.2016, 15 W 3/16, BeckRS 2016, 17163; OLG Karlsruhe Beschl. v. 21.12.2011, 6 W 61/11; OLG München GRUR 1957, 272; BeckOK PatR/Kircher GebrMG § 19 Rn. 14; Cepl in: Cepl/Voß, Prozesskommentar zum gewerblichen Rechtsschutz, 2. Aufl., § 148 Rn. 186; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 10. Aufl., Kap. E, Rn. 717. A. A. Loth/Stock GebrMG. 2. Aufl., § 19 Rn. 10).

Entscheidungsgründe

Gleichwohl war der Aussetzungsbeschluss des Landgerichts auf die sofortige Beschwerde hin aufzuheben.

Der grundsätzlich geltende verringerte Prüfungsmaßstab ist regelmäßig nicht mehr anzuwenden, wenn eine Rechtsbestandsentscheidung vorliegt, die die Vermutung der Rechtsbeständigkeit des Gebrauchsmusters (in seiner geltend gemachten Fassung) begründet. Denn dann handelt es sich nicht mehr nur um ein ungeprüftes Schutzrecht, sondern die Rechtsbestandssituation ist vergleichbar mit derjenigen, die bei einem – nach Prüfung durch das fachkundige Amt – erteilten Patent besteht. Auch wenn im Gebrauchsmusterverletzungsverfahren das Trennungsprinzip nicht gilt und das Verletzungsgericht infolge dessen selbständig über die Schutzfähigkeit des Gebrauchsmusters zu entscheiden hat, erscheint es sachgerecht, in einer solchen Situation denselben Maßstab anzuwenden wie bei einer Aussetzungsentscheidung betreffend ein Patent nach § 148 ZPO und somit der von einer fachkundigen Stelle beschiedenen Rechtsbeständigkeit Beachtung zu verleihen (OLG Karlsruhe GRUR 2014, 352 – Stanzwerkzeug; Cepl in: Cepl/Voß, Prozesskommentar zum gewerblichen Rechtsschutz, 2. Aufl., § 148 Rn. 187; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 10. Aufl., Kap. E, Rn. 717; Mes, PatG/GebrMG, 4. Aufl., § 19 Rn. 6. A. A. BeckOK PatR/Kircher GebrMG § 19 Rn. 15). In dieser Situation bedarf es somit hinreichender Erfolgsaussichten des anhängigen Gebrauchsmusterlöschungsverfahrens.

Der Begründung der Vermutung des Rechtsbestands aufgrund einer (kontradiktorischen) Entscheidung der Löschungsabteilung im anhängigen Gebrauchsmusterlöschungsverfahren steht es regelmäßig gleich, wenn eine positive (Rechtsbestands-)Entscheidung zu einem parallelen Patent getroffen worden ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie vorliegend – bei dieser Entscheidung die im Gebrauchsmusterverletzungs- und/oder Löschungsverfahren streitgegenständlichen Entgegenhaltungen allesamt berücksichtigt und diese von dem parallelen Patent als Stand der Technik gewürdigt worden sind. Dass es sich bei der hier in Rede stehenden Entscheidung „nur“ um einen einseitigen Erteilungsakt und nicht um eine kontradiktorische Rechtsbestandsentscheidung handelt, ist in dem hier maßgeblichen Zusammenhang nicht von entscheidender Bedeutung. Denn insoweit besteht kein Unterschied zur Situation bei einer Aussetzung eines Patentverletzungsverfahrens nach § 148 ZPO. Dort ist zu Recht gerade schon wegen des Erteilungsaktes und der damit verbundenen Beurteilung des Rechtsbestandes durch eine fachkundige Stelle – unabhängig von der im Einzelfall gegebenen Prüfungstiefe der Entgegenhaltungen durch das EPA bzw. DPMA – die hinreichende Erfolgswahrscheinlichkeit des Rechtsbestandsangriffs zu fordern.

Miit Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses entfällt dessen Wirkung ex-nunc. Da der Senat keine eigene Ermessensentscheidung treffen kann, obliegt es dem Landgericht, unter Beachtung des dargelegten Prüfungsmaßstabs sich erneut mit der Frage, ob der Rechtsstreit auszusetzen ist, zu befassen (OLG Karlsruhe Beschl. v. 21.12.2011, 6 W 61/11; Cepl in: Cepl/Voß, Prozesskommentar zum gewerblichen Rechtsschutz, 2. Aufl., § 252 Rn. 22 f.).

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (BGH NJW-RR 2006, 1289; OLG Karlsruhe GRUR 2014, 352 – Stanzwerkzeug; OLG Düsseldorf Beschl. v. 31.01.2013, 2 W 1/13, BeckRS 2013, 04893). Entstandene Kosten sind Teil der Prozesskosten, die unabhängig von dem Ausgang des Beschwerdeverfahrens die in der Hauptsache unterliegende Partei zu tragen hat (OLG Köln OLGR 1998, 89 f.; OLG Düsseldorf Beschl. v. 31.01.2013, 2 W 1/13, BeckRS 2013, 04893).

Konsequenz

Aufgrund der eingeschränkten Prüfungskompetenz des Beschwerdegerichts bleiben sofortige Beschwerden gegen einen Aussetzungsbeschluss in der weitaus überwiegenden Anzahlt der Fälle ohne Erfolg. Es macht keinen Sinn, eine Aussetzungsentscheidung mit der Begründung anzugreifen, das Langericht habe den Stand der Technik falsch gewürdigt. Für den Fall einer erfolgreichen Beschwerde gilt es zu Bedenken, dass das Beschwerdegericht in der Sache nicht selbst entscheidet (und schon gar nicht verurteilt), sondern lediglich eine Zurückverweisung zur erneuten Prüfung des Aussetzungsantrages erfolgt.

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