BGH klärt Klarheitsdebatte Fugenband | BGH Fugenband

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Lesen Sie mehr zu diesem Urteil im Beitrag “Weitreichende Kostenbeteiligung bei mehreren Nichtigkeitsklägern | BGH Fugenband” von Rainer Engels.

Lesen Sie außerdem den Beitrag “Neue Ansprüche bei Selbstbeschränkung – Verfahren zum Prüfen von Reifen” von Rainer Engels.

Bei einer Selbstbeschränkung im Bestandsverfahren durch den Patentinhaber sind bekanntlich die geänderten Patentansprüche einer erweiterten Zulässigkeitsprüfung zu unterziehen, die sich nicht auf die Widerrufs- bzw. Nichtigkeitsgründe reduziert und sich am Erteilungsverfahren orientiert, ohne dass bisher geklärt wäre, inwieweit die dortigen Voraussetzungen anwendbar sind (vgl. dazu BPatG Urt: v. 20.10.15 ; 4 Ni 6/14 – Verfahren zum Prüfen von Reifen; Engels/Busse PatG 8. Aufl. § 59 Rn 257). Der X. Senat hat nun zum Klarheitsgebot des Art. 84 EPÜ Stellung bezogen und sich der Rspr. des EPA unter Hinweis auf die, Entsch. vom 24. März 2015 – G 3/14 angeschlossen; danach gilt:

Im Falle einer Selbstbeschränkung durch den Patentinhaber im Nichtigkeitsverfahren ist eine Prüfung der Klarheit des beschränkten Patentanspruchs jedenfalls insoweit nicht statthaft, als die mutmaßliche Unklarheit bereits in den erteilten Ansprüchen enthalten war.

Gleichzeitig hat der BGH in einem obiter dictum zur Diskussion, ob für deutsche Patente im nationalen Verfahren ein derartiges Gebot aus § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG ableitbar ist, ebenfalls Stellung genommen und dies bejaht.

Zum Urteil

BGH/27.10.2015/X ZR 11/13 (veröff. in GRUR 2016, 361)

Relevante Rechtsnormen

Art. 84 Satz 2 EPÜ, § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG i.V.m. § 9 Abs. 6 PatV

Sachverhalt

Die Patentinhaberin hatte im Nichtigkeitsverfahren das angegriffene EP-Patent dadurch im Berufungsverfahren beschränkt verteidigt, dass sie von dem geltenden Erzeugnis- zu einem Verwendungsanspruch übergegangen war, was bekanntlich statthaft ist (BGH Mitt. 2012, 119 – Notablaufvorrichtung; GRUR 1988, 287 – Abschlussblende). Die Klägerin forderte insoweit die Prüfung eines von der Änderung nicht betroffenen Merkmals auf Klarheit nach Art. 84 EPÜ, was der X. Senat ablehnte unter Hinweis auf die durch das erteilte Patent erhaltene Rechtsposition, die dem Patentinhaber nur durch die gesetzlichen Einspruchs- und Nichtigkeitsgründe genommen werden könne.

Bisherige Rechtsprechung

Lesen Sie dazu den Beitrag “Neue Ansprüche bei Selbstbeschränkung | Fixationssystem” von Rainer Engels.

Bereits in der bisherigen Rspr. war die Anwendbarkeit des Art. 84 Satz 2 EPÜ im nationalen Nichtigkeitsverfahren für EP-Patente anerkannt (BGH GRUR 2012, 475 – Elektronenstrahltherapiesystem; GRUR 2010, 709 – Proxyserversystem), während sich für das nationale Verfahren und deutsche Patent eine heftige Diskussion, insbesondere unter den Beschwerdesenaten des BPatG und zum Anmeldeverfahren, entfacht hatte, ob § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG i.V.m. § 9 PatV eine entsprechende inhaltliche Forderung auf Bestimmtheit des Patentgegenstandes aufstellt und einen Zurückweisungsgrund nach § 48 PatG bilden kann (hierzu BPatGE 54, 118 –Elektrochemischer Energiespeicher; Keukenschrijver/Busse PatG 8. Aufl. § 48 Rn. 14 und § 34 Rn. 60: die Forderung nach Klarheit und Knappheit als allg. Grundsatz formulierend) oder lediglich formale Anforderungen an den Inhalt einer Anmeldung und die Fassung von Patentansprüchen stellen (vgl. BPatG MittdtschPatAnw 2014, 126 – Batterieüberwachungsgerät; BPatGE 54, 113 – Elektronisches Steuergerät). Ebenso stellt sich die Frage in den Bestandsverfahren (bejahend BPatGE 54, 1 – Fixationssystem).

Entscheidungsgründe

Ein Prüfungskriterium, ob die Selbstbeschränkung im Nichtigkeitsverfahren und die Aufnahme in den Patentanspruch aufgenommener Merkmale und Begriffe zulässig ist, kann sein, ob der Anspruch durch deren Aufnahme hinreichend deutlich und klar gefasst wird. Dies folgt aus Art. 84 Satz 2 EPÜ; für das nationale Recht ergibt sich dieses Erfordernis aus § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG i.V.m. § 9 Abs. 6 PatV. Eine Prüfung bereits erteilter Ansprüche auf Klarheit ist jedoch weder im Europäischen Patentübereinkommen noch im Patentgesetz vorgesehen. Der Patentinhaber hat mit dem erteilten oder dem im Einspruchsverfahren geänderten Patent eine Rechtsposition erhalten, die ihm nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen, mithin wenn ein Einspruchs- oder Nichtigkeitsgrund vorliegt, ganz oder teilweise aberkannt werden kann. Da die fehlende Klarheit keinen Nichtigkeitsgrund bildet, ist eine hierauf gerichtet Prüfung insoweit nicht statthaft, als die mutmaßliche Unklarheit bereits in den erteilten Ansprüchen enthalten war.

Konsequenz

Mit dieser Entscheidung hat der BGH seine Rspr. zum Klarheitserfordernis im Rahmen der Selbstbeschränkung präzisiert und mit derjenigen der Beschwerdekammern des EPA harmonisiert und im Kern auf das Argument eines Bestandsschutzes unveränderter Merkmale eines erteilen Patentanspruchs und zugleich auf den beschränkten Kanon möglicher Nichtigkeitsgründe abgestellt, der fehlende Klarheit nicht umfasst. Auch wenn das letzte Argument vernachlässigt, dass der geänderte Anspruch gerade nicht dieser Einschränkung unterliegt und zu fragen ist, ob hier nicht eine ganzheitliche Betrachtung des Anspruchs und damit aller Merkmale (zur Kritik Engels/Busse PatG 8 Aufl. § 59 Rn. 262) angezeigt ist, besteht jedenfalls hinsichlich des Ergebnisses Klarheit.

Interessanterweise sah der BGH sich veranlasst, zugleich in einem obiter dictum die Rechtslage für deutsche Patente mitzubewerten. Nicht geklärt hat der BGH die sich anschließende Frage, ob er auch hinsichtlich der in die erweiterte Zulässigkeitsprüfung einzubeziehenden und nicht klagegegenständlichen (Widerrufs-) und Nichtigkeitsgründe der EPA Rspr folgen will und nur eine eingeschränkte Überprüfbarkeit besteht.


Karlsruhe

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