Erweiterter Haftungsmaßstab bei Verwendungspatenten

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Nach dem Urteil des Landgerichts Düsseldorf ist eine Haftung des Präparatvertreibers auch ohne eigene sinnfällige Herrichtung denkbar, wenn weitere Kriterien erfüllt sind. Damit greift das Landgericht die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf auf, mit der ein weiterer Haftungsmaßstab bei Verwendungspatenten eröffnet wurde. Die Anforderungen an die Darlegung der Kriterien scheinen jedoch hoch.

Zur Entscheidung

LG Düsseldorf, Urteil vom 05.07.2018, 4c O 46/17 (unveröff.)

Relevante Rechtsnormen

§ 9, 10 PatG

Sachverhalt

Das Urteil des Landgerichts Düsseldorf ist ein weiteres Ereignis aus dem Verfahrenskomplex betreffend Fulvestrant (auch bekannt als Östrogenblocker), mit dem mehrere Gerichte in Deutschland und im Ausland befasst waren bzw. sind.

Das aktuelle Hauptsacheverfahren vor dem Landgericht Düsseldorf betraf ein Herstellungsverwendungspatent auf die zweite medizinische Indikation, nämlich die Verwendung des vorbekannten Wirkstoffs Fulvestrant bei der Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung von resistentem Brustkrebs. Gegen das Patent ist eine Nichtigkeitsklage vor dem Bundespatentgericht anhängig. Die Klägerin hatte zuvor auf Basis dieses Verwendungspatents den Erlass einer einstweiligen Verfügung bei der Kammer beantragt, welcher jedoch mangels Vorliegen eines Verfügungsgrundes in Bezug auf die zeitliche Dringlichkeit zurückgewiesen wurde. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin bestätigte das Oberlandesgericht Düsseldorf die Zurückweisung des Antrags (vgl. I-2 W 6/17)

Lesen Sie dazu den Beitrag “Zweckgebundener Stoffschutz” von Dr. Thomas Kühnen.

Über diese Entscheidung berichtete Herr Dr. Kühnen am 11.05.2017. Darin hielt er fest, dass ein Antragsteller nicht davon entbunden ist, aus einer bestimmten, ihm günstigen Rechtsprechung eigenverantwortlich die notwendigen rechtlichen Schlüsse und Konsequenzen für die Durchsetzung seines Patentrechts zu ziehen.

Die Klägerin versuchte nunmehr, das Verwendungspatent im Wege der Hauptsacheklage durchzusetzen, blieb aber auch damit erfolglos.

Neben Fragen der Auslegung des Klagepatentes stand bei der Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf vor allem die Frage nach dem rechtlichen Maßstab für die Bewertung der Verletzung eines Verwendungspatentes im Vordergrund.

Bisherige Rechtssprechung

Nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf sind Herstellungsverwendungspatente wie ein „normaler“ Verwendungsanspruch zu behandeln. Verwendungspatente, bei denen die Verwendung eines (vorbekannten) Stoffs oder einer (vorbekannten) Sache für einen neuen, erfinderischen Zweck unter Schutz gestellt ist, erfassen nach der einhelligen Meinung in Rechtsprechung und Literatur nicht nur diejenigen Handlungen, die unmittelbar die Anwendung betreffen, sondern darüber hinaus auch solche Handlungen, bei denen der Stoff oder die Sache zu der betreffenden Verwendung „sinnfällig hergerichtet“ wird (vgl. nur BGH, Beschluss vom 20.01.1977, X ZR 13/75, NJW 1977, 1104 – Benzolsulfonylharnstoff; BGH, Urteil vom 16.06.1987, X ZR 51/86, GRUR 1987, 794 – Antivirusmittel; Benkard/Scharen, PatG, 11.Aufl., § 9 Rn. 50; Busse/Keukenschrijver, PatG, 8. Aufl., § 9 Rn. 116; Kühnen, Hdb. d. Patentverletzung, 10. Aufl., Kap. A Rn. 330).

Eine Verletzung kommt daher in Betracht, wenn das Produkt vor dem Vertrieb sinnfällig für den patentgemäßen Einsatzzweck hergerichtet wird, also so aufbereitet wird, dass es mit ihm absehbar zu dem geschützten therapeutischen Gebrauch kommt. Das kann durch eine auf den speziellen Verwendungszweck abgestellte Formulierung und Konfektionierung des Arzneimittels sowie durch seine Dosierung, aber auch z.B. durch Beifügung einer Gebrauchsanleitung in Form eines Beipackzettels oder einen Hinweis auf der Umverpackung geschehen (vgl. etwa Kühnen, Hdb. d. Patentverletzung, 10. Aufl., Kap. A Rn. 332).

Entscheidungsgründe

Das Landgericht Düsseldorf führt umfassend zu dem anzulegenden Maßstab aus und stellt das soeben beschriebene Erfordernis des „sinnfälligen Herrichtens“ ausführlich dar.

Entscheidend ist, dass die Kammer die neuere Ansicht des 2. Senats des Oberlandesgerichts Düsseldorf aufgreift und festhält, dass eine Haftung des Präparatvertreibers auch ohne eigene sinnfällige Herrichtungsmaßnahme denkbar ist. Dazu verweist die Kammer auf die bereits ergangenen Entscheidungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf in Sachen Fulvestrant (es handelt sich dabei um die Entscheidung auf die oben erwähnte sofortige Beschwerde, Az. I-2 W 6/17, GRUR 2017, 1107) sowie Dexmedetomidin (Urt. v. 01.03.2018, I-2 U 30/17). Mit Rücksicht auf den nicht allumfassenden, sondern eingeschränkten, zweckgebundenen Stoffschutz ist dabei die Erfüllung von Bedingungen erforderlich, die auf andere Weise die geforderte Zweckbindung für den geschützten Wirkstoff sicherstellen. In Kurzfassung lauten die relevanten Kriterien:

  1. Tauglichkeit des Produkts für den patentgemäßen Zweck
  2. Zunutzemachen von Umständen, die in ähnlicher Weise wie eine aktive sinnfällige Herrichtung dafür sorgen, dass es mit dem angebotenen oder vertriebenen Präparat zu dem zweckgebundenen therapeutischen Gebrauch kommt. Dafür ist erforderlich:

a) hinreichender, nicht bloß vereinzelter Verwendungsumfang

b) dahingehendes Wissen oder zumindest ein treuwidriges Verschließen vor der diesbezüglichen Kenntnisnahme.

In dem zur Entscheidung gestellten Sachverhalt wurde die Verwirklichung dieser Kriterien bestritten und ausführlich diskutiert. In seinem Urteil kommt das Landgericht Düsseldorf zu dem Schluss, dass es jedenfalls an einem hinreichenden Verwendungsumfang (Kriterium 2)a)) fehlt. Diesbezüglich hatte die Klägerin zwar Zahlenmaterial vorgelegt, jedoch hatte das Gericht schon Zweifel an dessen Repräsentativität. Zudem konnte anhand der vorgelegten Daten die von der Klägerin behauptete hinreichende Verwendung i.S.d. Klagepatents im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht belegt werden. So wurde nämlich die Zulassung für das Originalpräparat (und folglich auch für das angegriffene Generikum) nach den letzten vorgelegten Daten insbesondere um eine neue Wirkstoffklasse erweitert, sodass eine geänderte Verwendungspraxis nicht auszuschließen war.

Aus denselben Gründen hielt das Landgericht Düsseldorf fest, dass auch eine mittelbare Patentverletzung nicht in Betracht kommt.

Konsequenz

In der Düsseldorfer Rechtsprechung scheint sich mit diesem Urteil der erweiterte Haftungsmaßstab für die Verletzung von Verwendungspatenten weiter etabliert zu haben.

Allerdings wird aus dieser Entscheidung auch klar, dass die praktische Darlegung der Kriterien erhebliche Schwierigkeiten bereiten kann und dass daran hohe Anforderungen gestellt werden. Neben der Frage, wann das Produkt „tauglich“ ist und wann der Verwendungsumfang „hinreichend“ ist, standen vorliegend auch Fragen zur Antragsfassung – insbesondere mit Blick auf die fragliche Vereinbarkeit der Anträge mit dem Arzneimittelrecht – im Raum. Diese mussten jedoch wegen der Abweisung der Klage letztlich nicht geklärt werden.

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