Neue Ansprüche bei Selbstbeschränkung | BPatG Fixationssystem

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aus: DE 4343117 A1

Im Rahmen der im Bestandverfahren möglichen Selbstbeschränkung stellt sich die Frage der Grenziehung zu der unzulässige Neugestaltung des Patents und zwar nicht nur in inhaltlicher Hinsicht bzgl des im Anspruch geschützten Patentgegegnstands, sondern auch im Hinblick auf die Fassung des Anspruchssatzes als solche. Das BPatG hatte sich mit der Frage zu befassen, ob es zulässig ist einen neuen nebengeordneten Patentanspruch zu formulieren und welche Anforderungen hieran zu stellen sind. Das BPatG beschied:

Die Aufspaltung eines Patentanspruchs in zwei nebengeordnete Ansprüche stellt eine zulässige Änderung des erteilten Streitpatents im Nichtigkeitsverfahren dar, wenn diese sich nicht nur in einer Klarstellung erschöpft, sondern eine Beschränkung des Gegenstands darstellt (hier auf zwei konkrete Ausführungsbeispiele) und zudem der Ausräumung eines geltend gemachten Nichtigkeitsgrunds (hier der fehlenden Ausführbarkeit) Rechnung trägt.

Zum Urteil

BPatG Urt. 24.07.2012 (veröff. in BPatGE 54, 1 bzw. GRUR 2013, 487)

Relevante Rechtsnormen

§ 34 PatG, § 64 PatG, § 9 PatV, § 10 PatV, Art 101 Abs 2 EuPatÜbk

Sachverhalt

Lesen Sie dazu den Beitrag “Neue Ansprüche bei Selbstbeschränkung – Verfahren zum Prüfen von Reifen” von Rainer Engels.

Die Patentinhaberin hatte im Nichtigkeitsevrfahren vor dem BPatG einen Anspruchssatz hilfsweise beschränkt verteidigt. Die Beschränkung sollte darin liegen, dass statt des weit gefassten und wegen fehlender Ausführbarkeit angegriffenen Anspruch 1 erteilter Fassung zwei nebengeordnete Ansprüche formuliert wurden, welche jeweils eine der beiden in der Beschreibung genannten Ausführungsbeispiele zum Gegenstand haben sollten. Der 4. Senat des BPatG ließ diese Form der Selbstbeschränkung durch Aufspaltung des Anspruchs in zwei nebengeordnete Ansprüche zu und ließ offen, ob einschränkend dem Vorbild der Beschwerdekammern des EPA folgend als Ausdruck eines Rechtsschutzbedürfnisses für eine derartige Verteidgung eine „veranlasste“ Änderung voraussetzt (siehe hierzu BPatG Urt. v. 20.10.2015, 4 Ni 6/14 – Verfahren zum Prüfen von Reifen).

Bisherige Rechtsprechung

Nicht nur in der Literatur ist eine Aufstellung zusätzlicher Patentansprüche, jedenfalls durch Aufspaltung eines Anspruchs in mehrere eingeschränkte nebengeordnete Ansprüche, anerkannt (Keukenschrijver/Busse, PatG, 8. Aufl., § 84 Rn. 14; weitergehend noch Engel GRUR 2009, 248), sondern auch in der st. Rspr der Beschwerdekammern des EPA (vgl. Singer/Stauder EPÜ 7. Aufl. Art. 101 Rn. 120 m. w. N, wenn hierfür eine konkrete Veranlassung besteht, oder vereinzelt auch der Senate des BPatG (Beschl v. 28.7.2008, 9 W (pat) 405/05; zur Bildung neuer Unteransprüche:verneinend BPatGE 43, 230 – Spülgut; bejahend BPatGE 44, 240 = GRUR 2002, 327, 330 – Erstes Impulssignal). Der 4. Senat bejahte die Zulässigkeit u.a. unter Hinweis auf die vergleichbare Rechtspraxis der Beschwerdekammern des EPA.

Entscheidungsgründe

Den Klägerinnen ist zwar zuzustimmen, dass grds. die Aufstellung neuer Patentansprüche keine Beschränkung des erteilten Patents darstellt, sondern dessen unzulässige Umgestaltung, die allein dem Patenterteilungsverfahren vorbehalten ist (BGH GRUR 2005, 145 – elektronisches Modul). Dies schließt aber nach Überzeugung des Senats nicht aus, dass im Einzelfall auch die Aufstellung neuer Patentansprüche im Nichtigkeitsverfahren jedenfalls zulässig ist, sofern hiermit eine zulässige Beschränkung des erteilten Patentgegenstandes und nicht dessen Umgestaltung verbunden ist und eine Beschränkung in dieser Weise – wie vorliegend – veranlasst ist. Die beschränkende Änderung stellt sich vorliegend nicht nur als eine zweckmäßige, etwa im Hinblick auf eine bessere Durchsetzungsmöglichkeit für das Patent, intendierte Änderung dar (dazu Engel GRUR 2009, 248). Diese erweist sich vielmehr als eine notwendige Reaktion zur Ausräumung eines Nichtigkeitsgrunds und Fassung eines zulässig geänderten Patentanspruchs. Sie ist somit „veranlasst“ bzw. von einem hinreichenden Rechtsschutzbedürfnis getragen und damit zulässig.

Konsequenz

Das BPatG bestätigt mit dieser Entscheidung die schon in der Literatur und Rspr der Beschwerdekammern des EPA anerkannte Aufstellung neuer Ansprüche für den Fall der Aufspaltung eines Anspruchs in zwei beschränkte nebengeordnete Ansprüche im Rahmen der Selbstbeschränkung eines erteilten Patents im Bestandsverfahren, jedenfalls sofern die durch den Nichtigkeitsangriff veranlasst ist.

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