Patentliteratur als allgemeines Fachwissen

Mit der Entscheidung T1540/14 vom 15. Februar 2017 präzisiert die Beschwerdekammer die Erfordernisse, unter denen Patentliteratur als Nachweis für das allgemeine Fachwissen herangezogen werden kann.

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Mit der Entscheidung T1540/14 vom 15. Februar 2017 präzisiert die Beschwerdekammer die Erfordernisse, unter denen Patentliteratur als Nachweis für das allgemeine Fachwissen herangezogen werden kann.

Relevante Rechtsnorm

Art.56 EPÜ; RdBK I.C.2.8.1

Sachverhalt

Die Prüfungsabteilung hatte die Anmeldung wegen Fehlens einer erfinderischen Tätigkeit mit der Begründung zurückgewiesen, dass das Unterscheidungsmerkmal zum allgemeinen Fachwissen gehöre, was angeblich durch drei angeführte Patentdokumente belegt sei. Dagegen legte der Anmelder Beschwerde ein – zu Recht.

Enscheidungsgründe

Grundsätzlich gehört auch das allgemeine Fachwissen des betreffenden technischen Gebiets zum Stand der Technik, das (i) wiederum schriftlich in Lehrbüchern oder dergleichen fixiert sein kann oder möglicherweise nur zum ungeschriebenen „geistigen Rüstzeug“ des Durchschnit- tsfachmanns zählt [T 939/92]. (ii) Die Behauptung, dass etwas zum allgemeinen Fachwissen gehört, muss bei dessen Bestreiten allerdings nachgewiesen werden [T 534/98]; als ausreichender Nachweis dienen hierfür Veröffentlichungen in einer Enzyklopädie oder einem Handbuch. (iii) Patentliteratur und wissenschaftliche Artikel gehören jedoch in der Regel nicht dazu [T 766/91].

Ausnahmsweise kann Patentliteratur als Beleg für das allgemeine Fachwissen dienen, nämlich wenn:

1. die Erfindung auf einem gänzlich neuen Forschungsgebiet liegt, das Lehrbüchern noch nicht entnommen werden kann [T 51/87],

2. die Information darin eindeutig ist, und

3. die Information ohne Zögern oder zusätzliche Arbeit direkt verwendet werden kann.

Bevor allerdings die Frage aufgeworfen werden darf, ob ausnahmsweise Patentliteratur als Stand der Technik in Betracht kommt, muss zunächst der Fachmann auf dem betreffenden technischen Gebiet bestimmt werden. Sodann ist zu klären, ob andere einschlägige Literatur existiert, die das allgemeine Fachwissen am Anmeldetag belegt und ob diese als Nachweis angeführt worden ist. Dies konnte vorliegend nicht bejaht werden.

Zudem war das betreffende Unterscheidungsmerkmal in der angeführten Patentliteratur nur ganz allgemein offenbart und den betreffenden Dokumenten konnte auch kein vollständiger und klarer Hinweis auf das spezifische Unterscheidungsmerkmal und dem damit verbundenen technischen Effekt entnommen werden.

Im Ergebnis ist der Gegenstand von Anspruch 1 durch die angeführte Patentliteratur nicht nahegelegt, sodass dieser auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Art.56 EPÜ).

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